Michael Helm

Vor dem Gesetz

Freitags auf dem Block

Als ich neulich in meiner Jukebox blätterte …
Nee, nee, … Aber manch einer stöbert ja gerne und regelmäßig in seiner Plattenkiste (manche Menschen besitzen sowas durchaus!) andere stehen vor dem Bücherregal längst gelesener Schmöker und erfreuen sich daran. Ich schaute für diesen Freitag auf dem Block einmal in unser altes Radioarchiv.

Erinnert sich noch jemand ans Literadium, das Literaturradio im Bielefelder Bürgerfunk? Ich tue das immer wieder gerne. Wir machten dort einmal im Monat eine Sendung zur Literatur. Magazinsendungen, Sendungen zu einzelnen Autoren, Feature, Schnipsel, Kolumnen, Interviews. Ach, das war eine schöne Zeit … damals.

Für heute habe ich euch also einen Interviewschnipsel herausgekramt von Christine Helm, die diese Sendung damals moderierte und meine Lesung eines Textes von … na, na, von wem schon … na klar: Franz Kafka. Die ganze Sendung war zu Kafka. Nicht die Ohren kräuseln, reinhören ;)

Interview zur Kafkas „Vor dem Gesetz“ | Interview Christine Helm

Franz Kafka – Vor dem Gesetz | gelesen von Michael Helm

Franz Kafka – Der Process

"Die Lesereihe "Zwischen den Zeilen" mit Rezitator Michael Helm ist in Spenge längst kein Geheimtipp mehr."

Der Artikel aus der neuen Westfälischen von Britta Bohnenkamp-Schmidt.

Aus dem Block …

Jon Fosse – Melancholie

Ende des 19. Jahrhunderts: Der norwegische Maler Lars Hertervig studiert in Düsseldorf Landschaftsmalerei. Er hat sich ein kleines Zimmer gemietet und verliebt sich in Helene, die fünfzehnjährige Tochter seiner Vermieter. Dieses nicht einmal richtig entflammte Verhältnis findet die Ungnade der Familie. Lars soll die Wohnung verlassen. Das Scheitern der Beziehung scheint Lars Hertervig verrückt werden zu lassen.

Was auf der inhaltlichen Ebene einfach erscheinen mag, nimmt sich in Hertervigs Denken anders aus. Denn von Anfang an ist seine Sicht der Dinge „anders“. Gedanke um Gedanke kreist in seinem Kopf, wiederholt sich, ordnet sich scheinbar neu. Niemals kommt sein Denken zu einem Abschluss. Der Geisteszustand Hertervigs grenzt an Verwirrung und seine Gedanken verwirren sich mehr und mehr durch die ihn befremdenden Erlebnisse. Sind seine Gedanken wahnhaft, Verfolgungsfantasien oder der Ausdruck seiner Realität?

Dies lässt Jon Fosse in seinem Roman „Melancholie“ offen. Er betrachtet das Geschehen aus der Sicht Hertervigs. Er versteht es in einer ausgefeilten, dem Denken dieses Menschen entsprechenden, einfachen Sprache, die subjektive Welt Hertervigs darzustellen. Das ist faszinierend und schwer zu lesen zugleich, denn die unendlichen Gedankenketten Hertervigs wälzen sich über etliche Seiten dahin. Wie einprägsam Fosses Sprache ist, stellte ich fest, als ich das Buch fortlegte. Die ewigen Wiederholungen und Wortketten begannen, von meinem Denken Besitz zu ergreifen, wie musikalische Ohrwürmer. Fast suggestiv haben sie sich in den Kopf eingeschlichen und es brauchte Zeit und Ablenkung, um sich wieder aus dieser zirkulären Gedankenwelt Hertervigs zu befreien.

Jon Fosse hat für das Denken eine Sprache geschaffen, in der Existenzielles einen einfachen Ausdruck findet. In dem, was sich zwischen den Gedankenketten auftut, rührt er an der Grenze des Unbewussten.

Mit der Geschichte Lars Hertervigs ist der Roman nicht zu Ende. Zwei weitere Erzählungen setzen an die Hertervig-Geschichte an, die sich wie die folgenden Akte eines Theaterstücks ausmachen. Generationen später werden Personen betrachtet, die mit Hertervig in familiärer Beziehung standen. Auch in diesen Erzählungen ist es der faszinierende Stil Fosses, der einen in seinen Bann zieht.

Jon Fosse bekommt Literaturnobelpreis

Hier noch der Link zu einem älteren Beitrag.