Michael Helm

Gestern in Spenge…

vom 29. September 2017

Es war wieder eine tolle Atmosphäre in Spenge, gestern Abend mit Goethes Divangedichten. Danke an ein tolles Publikum, das mich hier seit über 16 Jahren willkommen heißt.

Hemingway Waits

vom 17. Mai 2017

Eindrücke der Lesung in Brackwede …

Kafka und der Bibliothekar

vom 27. Februar 2017

Eine kleine Geschichte von Michael Helm zum Anhören

Als ich eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand ich mich in meinem Bett zu einer ungeheueren Leseratte verwandelt. So klingt es oft, wenn „wichtige“ Menschen von ihrer frühen Literaturberufung sprechen. Da haben bedeutende Persönlichkeiten Kafka mit zehn, Camus mit zwölf und den Ulysses mit vierzehn Jahren gelesen. Da erbleicht jeder Zuhörer in ehrfürchtiger Bewunderung. Ich möchte mich dieser literarischen Früherweckung auch gerne rühmen. Leider hat die Sache mit Kafka in meinem Leben einen sehr prosaischen Haken. (…)

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mh

Mooment mal! Im Vorrübergehen eingefangen …

vom 21. Februar 2017

Preußische Begrüßung

 

 

 

 

 

Heute vor …

vom 17. Februar 2017

… 161 Jahren ist ein unbequemer, aber wichtiger Dichter von uns gegangen: Heinrich Heine. Wenn viele Kritiker sagen, er habe polarisiert, damals wie heute, so war und ist diese Polarisation wichtig, in seinen Tagen und in unseren.

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Enfant Perdu

Verlorner Posten in dem Freiheitskriege,
Hielt ich seit dreißig Jahren treulich aus.
Ich kämpfe ohne Hoffnung, daß ich siege,
Ich wußte, nie komm ich gesund nach Haus.
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Ich wachte Tag und Nacht – Ich konnt nicht schlafen,
Wie in dem Lagerzelt der Freunde Schar –
(Auch hielt das laute Schnarchen dieser Braven
Mich wach, wenn ich ein bißchen schlummrig war).
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In jenen Nächten hat Langweil‘ ergriffen
Mich oft, auch Furcht – (nur Narren fürchten nichts) –
Sie zu verscheuchen, hab ich dann gepfiffen
Die frechen Reime eines Spottgedichts.
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Ja, wachsam stand ich, das Gewehr im Arme,
Und nahte irgendein verdächt’ger Gauch,
So schoß ich gut und jagt ihm eine warme,
Brühwarme Kugel in den schnöden Bauch.
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Mitunter freilich mocht es sich ereignen.
Daß solch ein schlechter Gauch gleichfalls sehr gut
Zu schießen wußte – ach, ich kann’s nicht leugnen –
Die Wunden klaffen – es verströmt mein Blut.
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Ein Posten ist vakant! – Die Wunden klaffen –
Der eine fällt, die andern rücken nach –
Doch fall ich unbesiegt, und meine Waffen
Sind nicht gebrochen – nur mein Herze brach.

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Heinrich Heine (Lesung)
Aus der Matratzengruft zu Paris
Die letzten Lebensjahre des Dichters in Paris
10.03.2017 | 19:30 Uhr | Stadtbücherei | Poststraße 6a | Spenge | Infos» 

mh

Nicht-Empfehlung der Woche (Hörbar)

vom 09. Februar 2017

Es gibt Menschen, die einem Hilfe bei der Auswahl guter Lektüre sind, die wichtigsten: der Buchhändler meines Vertrauens und die, mit meiner Lesebesessenheit vertraute, Bibliothekarin. Letztere entzog meinem neugierigen Blick just eine Neuerscheinung mit den Worten: „schwervermittelbar und stinkt!“ (…)

mh

Das beste Europa, das wir bisher hatten

vom 23. Januar 2017

Gedanken zur Heine-Lesung am Mittwoch

Wenn ich am kommenden Mittwoch (25.01.17, 19.30 Uhr, Infos») zur Heinrich Heine-Lesung in Spenge antrete, so diesmal mit dem Gefühl, dass es keine Heine-Lesung ist, wie viele der zurückliegenden: ein anregender Abend mit Gedichten und Texten des deutschen Dichters. Heine war immer aktuell, keine Frage. Aber etwas hat sich verändert. Was wird aus diesem Europa, für das Heine schon in seiner Epoche, als es die EU noch gar nicht gab, so vehement eintrat? Es gab seinerzeit nicht einmal ein Deutschland, wie wir es heute kennen, geschweige eine Deutsch-französische-Freundschaft.

Können wir uns trotz seiner Texte nicht mehr erinnern, wie dieses Europa einmal ausgesehen hat? Die Antwort auf diese Fragen sind in den letzten Monaten dringender denn je geworden. Jetzt, da wir ein freiheitliches, friedliches und demokratisches Europa kennen. Wir wissen, wie das ist. Wir wissen, wie das geht! Heinrich Heine zu lesen, kann uns anspornen, uns um dieses Europa zu sorgen, das er nicht kannte, für das er aber kämpfte. Uns zu sorgen, es zu bewahren und zu verbessern, weil es oft nicht gut genug war, bestimmt. Aber das beste Europa, das wir bisher hatten. Machen wir es besser: demokratischer, gerechter, sozialer und auch wieder friedlicher.

mh

Konferenzraumbesetzung

vom 18. Januar 2017

Eine sachliche, vernünftige Diskussion scheint aus der Mode gekommen. Dass der zukünftige amerikanische Präsident sie nicht beherrscht: geschenkt. Man soll keine zu hohen Anforderungen stellen. Aber im Alltag war ich bislang Besseres gewohnt. Im Streitfall um einen – von beiden Seiten eingetragenen – Konferenzraum hörte ich heute wieder und wieder das selbe Argument: Man habe ihn aber doch eingetragen. Beim ersten Mal: Argument entgegengenommen. Denke nach. Meine Denkpause wird genutzt, um das Argument mit exakt derselben Wortwahl und selbigem Tonfall zu untermauern. Argument verstanden, ja doch! Ich hasse Leute, die alles zwei Mal sagen.

Erwidere etwas, um der höflichen Person sachlich zuvorzukommen, aber die unterbricht mich mit: Wir haben ihn aber doch eingetragen! Oh, Varianz in der Wortfolge, aber Langeweile in der Hirnregion, die sie vernimmt. »Verstehe, jaadoch!« Mache mich daran, eine Lösung vorzuschlagen und beginne sie schon in die Tat umzu… und bekomme eine Antwort, sofort: …! Ich höre und drücke innerlich Repeat: Kann doch nicht sein, dass da wieder betont wird, man habe den Raum aber eingetragen. »Ich weiß ja, ja…!« Das kommt aus meinem Mund. Ich bin einfach perplex! »Hören Sie, ich…« Was nun folgt, brauche ich hier nicht zu erwähnen. … »Jaaaaadooch … Das sagten Sie bereits, ich habe Ihren Satz verstanden. Do you understand me?«  Ein Nicken. »Really????« Wieder ein Nicken. Ich zweifle. Zu Recht. Und ahne, was kommt. Bevor ich die Worte vom eingetragenen Raum noch einmal hören werde, nehme ich die Beine in die Hand und suche nach einer schnellen Alternative. Keine zwei Türen weiter steht offensichtlich ein heller, schöner Tagungsraum leer und sperrangelweit offen, wie mein Mund. Ist es denkbar, dass stetes Wiederkäuen des Ewiggleichen die Sachlage wirklich verändert? Auf alle Fälle etwas in meinem Gehirn. Es fühlt sich so weich an.

Ich nehme mir fest vor, in dieser Nacht in die öffentliche Anstalt einzudringen und den Belegungsplan an jedem einzelnen verdammten Tag dieses Jahres mit meiner persönlichen Besetzung zu füllen: jeden einzelnen Tag, mindestens 365 Tage. Konferenzraumbesetzung.

Was sachliche Diskussionen angeht, kann man dieser Tage zum autonomen Tagungsraumbesetzer werden. Ich träume mich nachts bereits bewaffnet, vermummt und ausgerüstet mit schalldichten Ohrstöpseln. So weit kann es mit einem kommen, dieser Tage. Und nicht nur vor Konferenzräumen.

mh

Blick in ferne Zukunft

vom 04. Dezember 2016

… Und wenn alles vorüber ist –; wenn sich das alles totgelaufen hat: der Hordenwahnsinn, die Wonne, in Massen aufzutreten, in Massen zu brüllen und in Gruppen Fahnen zu schwenken, wenn diese Zeitkrankheit vergangen ist, die die niedrigen Eigenschaften des Menschen zu guten umlügt; wenn die Leute zwar nicht klüger, aber müde geworden sind; wenn alle Kämpfe um den Faschismus ausgekämpft und wenn die letzten freiheitlichen Emigranten dahingeschieden sind –:

dann wird es eines Tages wieder sehr modern werden, liberal zu sein.

Dann wird einer kommen, der wird eine gradezu donnernde Entdeckung machen: er wird den Einzelmenschen entdecken. Er wird sagen: Es gibt einen Organismus, Mensch geheißen, und auf den kommt es an. Und ob der glücklich ist, das ist die Frage. Daß der frei ist, das ist das Ziel. Gruppen sind etwas Sekundäres – der Staat ist etwas Sekundäres. Es kommt nicht darauf an, daß der Staat lebe – es kommt darauf an, daß der Mensch lebe.

Dieser Mann, der so spricht, wird eine große Wirkung hervorrufen. Die Leute werden seiner These zujubeln und werden sagen: »Das ist ja ganz neu! Welch ein Mut! Das haben wir noch nie gehört! Eine neue Epoche der Menschheit bricht an! Welch ein Genie haben wir unter uns! Auf, auf! Die neue Lehre –!«

Und seine Bücher werden gekauft werden oder vielmehr die seiner Nachschreiber, denn der erste ist ja immer der Dumme.

Und dann wird sich das auswirken, und hunderttausend schwarzer, brauner und roter Hemden werden in die Ecke fliegen und auf den Misthaufen. Und die Leute werden wieder Mut zu sich selber bekommen, ohne Mehrheitsbeschlüsse und ohne Angst vor dem Staat, vor dem sie gekuscht hatten wie geprügelte Hunde. Und das wird dann so gehen, bis eines Tages …

Kurt Tucholsky

alias Ignaz Wrobel, Die Weltbühne, 28.10.1930

Weil es die Schönheit ist…

vom 01. Dezember 2016

Im Internet hörte ich von einem Geiger, der in einer Fußgängerzone sein Bestes gab. Tausend Menschen gingen vorüber, zwanzig warfen ihm Geld in den Geigenkoffer und sechs Menschen blieben kurz, um ihm zuzuhören. Ein kleiner Junge soll reges Interesse gezeigt haben, doch die Mama zog ihn weiter. Der Geiger war eine Weltberühmtheit. Er spielte wundervolle klassische Stücke von Johann Sebastian Bach, noch dazu auf einer Geige, die dreieinhalb Millionen Dollar wert gewesen sein soll. Noch am Tag vorher soll er ein Konzert gegeben haben, bei dem die Zuhörer hundert Dollar für eine Karte gezahlt hatten. Die Geschichte soll ein Experiment der Washington Post gewesen sein und ich hörte davon durch ein „Wort zum Tage“ des MDR, in einer Art Radioansprache, gesprochen von Christian Mendt.

Ich habe die Geschichte nicht weiter recherchiert. Sie gehört zu den Dingen, die man täglich auf Sozialen Netzwerken findet. Manche anregend, manche weniger. Manche sind pure Erfindung. Bei dieser Geschichte ist es egal, ob es so war oder nicht, weil sie auch gut bleibt, wenn sie ausgedacht wäre. Das ist das Wesen einer guten Geschichte. Wie Herrn Mendt brachte sie mich zum Grübeln. Wir hatten sehr unterschiedliche Gedanken. Spannend genug.

Ich dachte jedenfalls, ob mehr Menschen stehen geblieben wären, wenn dort ein Populist von der Schlechtigkeit der Welt in unseren Tagen gepoltert hätte. Wenn er in Rage alles Mögliche beklagt hätte, Wahres aber auch einfach viel Erfundenes. Behaupten kann man ja vieles. Wie viele Menschen hätten dann dagestanden und zumindest innerlich gerufen: „Ja, ja… man wird doch mal wieder… und endlich sagt es mal einer!“

Das Geschreie zeigt oft mehr Wirkung, als die leisen und schönen Töne, die dieser Geiger wahrscheinlich hervorzauberte. Die Schönheit fällt uns im Stress, in unserem hecktischen Alltag nicht mehr auf. Das Gute und Schöne braucht oft einen zweiten Blick. Dass wir genauer hinhören, zuhören.

Vor den Populisten mit ihrem lauten Gekreisch graut es mir. Dass niemand applaudierte, als der Violinist sein Straßenkonzert beendet hatte, finde ich schade. Im Zusammenhang dieser beiden Gedanken fällt mir ein Zitat Friedrich Schillers ein: „Weil es die Schönheit ist, durch welche man zu der Freiheit wandert.“ Er schrieb den Satz in einem Brief über die ästhetische Erziehung des Menschen. Ob wir auf dem Weg der Freiheit sind, wenn wir uns den Schreihälsen anvertrauen, wird sich zeigen müssen. Ich bezweifle das. Vielleicht achte ich in Zukunft einmal mehr auf die Musik in den Straßen, besonders jetzt, im Lärm der Weihnachtsmärkte.

mh