Michael Helm

Auftrittsimpressionen

Hier einige Impressionen unseres Auftritts am 09. September 2023:

Die Vorlesewerkstatt war ein Projekt der Aktion „Herford liest ein Buch“, initiiert und organisiert vom Förderverein der Stadtbibliothek Herford, Buch.Bar.

hinten: Michael Helm | Lennard Haubrich | Jan-Hendrik Lobstein | Lennert Waletzko
vorne: Maximilian Holtkamp | Anabel Koop | Emily Pautz | Maliha Ahmed

Sechs Wochen hatten die Jugendlichen aller Herforder Schulen an Texten zum Erwachsenwerden in den 1980ern und den 2020ern gearbeitet, ein Coming Of Age zweier Jahrzehnte. Die Lesung war unsere Abschlussveranstaltung in der Stadtbibliothek Herford.

Hat Spaß gemacht. Danke an alle!

Erwachsenwerden 1980 & 2020

Eine Lesung der Vorlesewerkstatt Herford im Rahmen der Aktion „Herford liest ein Buch“ gibt es am kommenden Samstag in der Stadtbibliothek. Junge Leute, die wochenlang an den Texten gefeilt haben, lesen vor. Und das Publikum ist eingeladen, in die Welten von damals und heute einzutauchen. Ich freue mich drauf, das Team live zu erleben.

09.09.2023 | Stadtbibliothek Herford | 18 Uhr | Infos

Ein gemeinsames Bild

„Wir sind alle winzige Punkte und zusammen ergeben wir ein Bild.“

Dieses Zitat von Benedict Wells war mir beim Lesen sicher aufgefallen, aber ich hatte es vergessen. Es ist ja immer so eine Sache mit der Vergesslichkeit. Dafür gibt es dann Menschen, die uns erinnern. Im Programm zu „Herford liest ein Buch“ fand ich dieses Zitat dann dem Projekt meiner Schüler*innen-Vorlesewerkstatt vorangestellt. Ich war beeindruckt, wie schön es passt.

Seit Wochen sprechen wir über das Erwachsenwerden in den 1980ern und den 2020ern, damals und heute. Eine bunte Collage entsteht da, kleine Bilder, die sich zu einem Ganzen zu fügen beginnen. Jugend besteht ja nie nur aus einem stimmigen Bild. Interessant wird der Vergleich an den Stellen, an denen wir Gemeinsames entdecken, merken, dass manche Probleme sehr ähnlich sind. Anderes ist völlig verschieden.

Ich bin sehr gespannt auf die gemeinsame Lesung am 09.09.23 (18 Uhr) in der Stadtbibliothek. Wir werden auch dort alle winzige Punkte sein, die zusammen ein Bild ergeben werden.

Aus dem Block …

vorbei

ich kann sie drehen und wenden
ich finde meine komfortable ansicht
der dinge nicht wieder

Jon Fosse – Melancholie

Ende des 19. Jahrhunderts: Der norwegische Maler Lars Hertervig studiert in Düsseldorf Landschaftsmalerei. Er hat sich ein kleines Zimmer gemietet und verliebt sich in Helene, die fünfzehnjährige Tochter seiner Vermieter. Dieses nicht einmal richtig entflammte Verhältnis findet die Ungnade der Familie. Lars soll die Wohnung verlassen. Das Scheitern der Beziehung scheint Lars Hertervig verrückt werden zu lassen.

Was auf der inhaltlichen Ebene einfach erscheinen mag, nimmt sich in Hertervigs Denken anders aus. Denn von Anfang an ist seine Sicht der Dinge „anders“. Gedanke um Gedanke kreist in seinem Kopf, wiederholt sich, ordnet sich scheinbar neu. Niemals kommt sein Denken zu einem Abschluss. Der Geisteszustand Hertervigs grenzt an Verwirrung und seine Gedanken verwirren sich mehr und mehr durch die ihn befremdenden Erlebnisse. Sind seine Gedanken wahnhaft, Verfolgungsfantasien oder der Ausdruck seiner Realität?

Dies lässt Jon Fosse in seinem Roman „Melancholie“ offen. Er betrachtet das Geschehen aus der Sicht Hertervigs. Er versteht es in einer ausgefeilten, dem Denken dieses Menschen entsprechenden, einfachen Sprache, die subjektive Welt Hertervigs darzustellen. Das ist faszinierend und schwer zu lesen zugleich, denn die unendlichen Gedankenketten Hertervigs wälzen sich über etliche Seiten dahin. Wie einprägsam Fosses Sprache ist, stellte ich fest, als ich das Buch fortlegte. Die ewigen Wiederholungen und Wortketten begannen, von meinem Denken Besitz zu ergreifen, wie musikalische Ohrwürmer. Fast suggestiv haben sie sich in den Kopf eingeschlichen und es brauchte Zeit und Ablenkung, um sich wieder aus dieser zirkulären Gedankenwelt Hertervigs zu befreien.

Jon Fosse hat für das Denken eine Sprache geschaffen, in der Existenzielles einen einfachen Ausdruck findet. In dem, was sich zwischen den Gedankenketten auftut, rührt er an der Grenze des Unbewussten.

Mit der Geschichte Lars Hertervigs ist der Roman nicht zu Ende. Zwei weitere Erzählungen setzen an die Hertervig-Geschichte an, die sich wie die folgenden Akte eines Theaterstücks ausmachen. Generationen später werden Personen betrachtet, die mit Hertervig in familiärer Beziehung standen. Auch in diesen Erzählungen ist es der faszinierende Stil Fosses, der einen in seinen Bann zieht.