Albert Camus
Licht und Schatten
Albert Camus schrieb seinen Essay „Licht und Schatten“ in den Jahren 1935/36. Zweiundzwanzig Jahre war er alt. „Der Fremde“ war noch nicht geschrieben. Die ersten Ideen dazu würde er aber bald in „Der glückliche Tod“ entwickeln, einem Roman, den Camus zu Lebzeiten nicht veröffentlichen würde. Die Arbeit an diesem unveröffentlichten Erstling wird aber in diese Zeit fallen.
„Eine Frau, die man allein läßt, um ins Kino zu gehen; ein alter Mann, dem man nicht mehr zuhört; ein Tod, der nichts gutmacht, und auf der anderen Seite alles Licht der Welt.“
Kleine Prosa, Licht und Schatten
Rowohlt, 1997, übersetzt von Guido G. Meister; S. 55
Camus beginnt sein Lebenswerk genau an jenem Punkt, an dem viele seiner Texte beginnen, mit dem Blick auf das Ende. Mit der Erfahrung des Todes beginnt Camus´ Denken. „Tod für alle, aber jedem sein eigener Tod“, mit diesen Worten endet der erste Abschnitt in „Licht und Schatten“.
Dem gegenüber erscheint Camus das Licht, die Sonne, unter der er in Algerien aufgewachsen ist. „Schließlich wärmt die Sonne trotzdem unsere Knochen.“ – Licht und Schatten.
Und überhaupt spielt Algerien, die Heimat, in diesem Essay eine zentrale Rolle. Camus war am 7. November 1913 in Mondovi als Sohn einer Spanierin und eines Elsässers in kärglichen Verhältnissen geboren worden. Von 1933 – 1936 hatte er in Algier Philosophie studiert. Literarische Bilder und Erinnerungen: An die herrische Großmutter. Die schweigende Mutter; sie war nahezu taub. Den Vater hat Camus früh verloren. Das einfache Leben in Armut. Allerdings auch an das Dasein unter einer überreichen algerischen Sonne und das Meer. Das sind Motive, die Camus in „Licht und Schatten“ früh anlegen wird, die für sein gesamtes Werk prägend sein werden.
„Freilich betrachte ich ein letztes Mal die Bucht und ihre Lichter, freilich ist das, was nun zu mir heraufdringt, nicht die Hoffnung auf bessere Zeiten, sondern eine abgeklärte, ursprüngliche Gleichgültigkeit allem, auch mir selbst gegenüber. Doch es gilt, sich von dieser zu weichen, zu einlullenden Melodie zu befreien. Und ich brauche einen klaren Kopf. Ja, alles ist einfach. Die Menschen sind es, die die Verwicklungen schaffen.“
Kleine Prosa, Licht und Schatten
Rowohlt, 1997, übersetzt von Guido G. Meister; S. 64
Die Einfachheit seiner frühen algerischen Existenz wird zum prägenden Bild. Die Einfachheit unter der verschwenderischen Fülle der Natur: der Wüste, des Meeres, des grellen Lichts zwischen den antiken Ruinen. Die Mutter, die Großmutter, das Altern und Leben in einfachsten Verhältnissen. Das Mittelmeer prägt Camus´ Gedanken.
„Vielleicht hat außer dem Mittelmeer kein anderes Land mich je mir selber gleichzeitig so fern und so nahe gerückt.“
Kleine Prosa, Licht und Schatten
Rowohlt, 1997, übersetzt von Guido G. Meister; S. 77
mh
Leseempfehlungen:
Licht und Schatten (Essay) in: Kleine Prosa
Rowohlt, 1997, übersetzt von Guido G. Meister
Der glückliche Tod
Roman. Rowohlt, 1997, übersetzt von Eva Rechel-Mertens
Hochzeit des Lichts — Heimkehr nach Tipasa
Impressionen am Rande der Wüste
Arche, 2000, übersetzt von Peter Gan & Monique Lang