Engel der Autobahn
„Ich drehe schon seit Stunden
Hier so meine Runden (…)
Ich finde keinen Parkplatz
Ich komm‘ zu spät zu dir, mein Schatz“
Das schrieb schon Herbert Grönemeyer in seinem Lied „Mambo“. Ich weiß nicht, ob Grönemeyer in den 80ern danach Drohbriefe von Autojunkies bekam oder zur Anhörung vor den Automobilgerichtshof bestellt wurde, aber ich ahnte damals schon nichts Gutes. Die Parkplatzsuche gestaltete sich in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts in Bochum schon nicht einfach und hat sich seither verschlechtert.
„Es trommeln die Motoren.
Es dröhnt in meinen Ohren“
Stimmt immer noch, auch wenn die Motoren eigentlich leiser geworden sind. Vielleicht sind es einfach mehr oder meine Ohren sind empfindlicher geworden.
Neulich, stand ich auf der A2. Die Motoren waren verstummt. Nur das Rauschen der Gegenfahrbahn war zu hören. Vollsperrung. In meinem Fahrzeug war es so ruhig geworden, dass ich aus Langeweile das Radio einschaltete. Da gab es eine Gesprächsrunde über die richtigen Methoden des Grasschnitts im heimischen Garten und etliche Zuhörer*innen, die anriefen, weil sie dazu etwas zu sagen hatten. Ein anderer Sender versprach die nächste welterschütternde Krise. Nichts sagte mir die Musik auf allen Sendern, die ich durchzappte. Also Radio aus. Mein Fahrzeug ist alt und daher hat es keine Möglichkeit, mir Musik auf andere Weise wiederzugeben. Ich kam mir jetzt genauso alt vor wie das Radiogerät. Alt und weiß.
Es war eng. Es war warm. Die Beine wussten nicht wohin und meine Waden fingen an, im eigenen Rhythmus rastlos zu zittern. Ich zählte die Fahrzeuge vor und hinter mir, die ich gerade noch erkennen konnte, immer und immer wieder. Zählen beruhigt mich. Es müssen ja nicht gleich Schafe sein.
Wäre ich bloß mit meinem ICE gefahren, dachte ich. Ich hätte mir die Beine vertreten und mit meinen Sitznachbarn über die aberwitzigen Bahndurchsagen diskutieren können. Hält der Zug nun in Bielfeld, fährt er mit einstündiger Verspätung weiter nach Köln, dreht er um und fährt zurück nach Berlin oder entfällt der Halt in Bielefeld ganz. Wenn der Zug ausfällt, fällt er dann auf Gleis 2 oder Gleis 4 aus? Muss man doch wissen. Wir hätten uns jedenfalls lachend gegenseitig am Galgen des Humors aufgeknüpft. Immer noch besser, als vereinsamt in meiner Blechkabine auf der Autobahn an Langeweile einzugehen.
Wie ich nach Hause gekommen bin? Ich habe den Wagen auf der A2 stehengelassen, habe die Kennzeichen entfernt und entsorgt und bin zum nächsten Bahnhof gelaufen. Der Zug fuhr, aber zurück nach Berlin. Eine Bahnhofsbank gewährte mir die nötige Nachtruhe in der Hauptstadt. Im Traum erschien mir ein Engel. Er nannte sich Verkehrsminister und sprach vom Himmelreich auf Straßen und Schienen.
Schweißgebadet erwache ich zu Hause im Bett. Wie ich nach Hause gekommen war? Ich weiß es nicht zu erzählen. Ich bin angekommen, wahrscheinlich dank eines Schutzengels der Deutschen Autobahnen, bewehrt mit Schild und Barke.