Michael Helm

Die Lust zu Vergessen

vom 12. Februar 2015

Gewohnheiten geben unserem Tag das Gerüst, an dem wir uns festhalten. Viele Menschen lesen morgens die Zeitung. Das verträgt mein Magen nüchtern nicht. Es sind die Kolumnen Axel Hackes, die mich vor Tee, Brötchen und Dusche schmunzelnd den Tag beginnen lassen. Bedauerlicherweise vergesse ich bis zum nächsten Tag gewiss, was mich gestern Morgen amüsiert hatte. Das ist doch schrecklich! Die Kolumne ist flüchtig. Es quetschen sich der Abwasch, die Büroarbeit und die Nahrungsaufnahme dazwischen, als hätten sie das Recht sich so aufzuplustern.

Das liegt nicht an Herrn Hacke, den ich für einen Zauberer seines Faches halte. Es liegt an meinem Gehirn, diesem verdammten Entsorger alles Wichtigen und Richtigen und Aufbewahrer aller Überflüssigkeiten. Für Überflüssigkeiten stellt es unendlich viel Fassungsraum zur Verfügung. Da ist noch nie etwas übergelaufen.

Sie merken bereits, wie es vorgeht, mein Gehirn. Es lenkt ab. Vom schönen Beginn des Alltags mit Herrn Hacke geht es nahtlos zum Entsorgen und Aufbewahren über und dann zu den Fässern voller Überflüssigkeiten. Die Überflüssigkeiten sind übrigens ordentlich beschriftet mit kleinen Etiketten, wie … Ich zwinge mich auf das richtige Gleis zurück: Die Kolumnen Axel Hackes, mit denen ich den Morgen beginne und die ich so schnell wieder vergesse.

Allen Ablenkungsversuchen meines Denkens zum Trotz stelle ich fest, wie schön es doch ist, dieses Ritual des Vergessens. Ich kann das Kolumnen-Büchlein so herrlich oft lesen, so unbelastet von allen Erinnerungen. Mein Vergnügen stellt sich immer neu ein; die Erkenntnis auch. Nicht zu verschweigen, die Lust auf Tee und Brötchen, die das Lesen der Kolumne am frühen Morgen im Morgenrock und in meinem behaglichen Sessel aufweckt. Mit meinen kleinen Gewohnheiten den Tag zu beginnen, ist ein Genuss. Vielleicht geht es ja nur darum?

Bei dieser Erkenntnis hielt sich übrigens mein Erschrecken in Grenzen, das aufkam, als ich diesen Text für den Block beendet hatte. Erst jetzt bemerkte ich nämlich, ich hatte ihn schon einmal geschrieben. Dem Datum zufolge vor zwei Wochen. Aber es wird sicherlich ein Genuss gewesen sein, ihn  geschrieben zu haben.

mh

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