Michael Helm

Benedict Wells – Hard Land

vom 08. August 2023

Ich bin durch die Aktion in Herford – „Herford liest ein Buch“ – darauf aufmerksam geworden und lese es zur Vorbereitung für meine Projekte (Vorlesewerkstatt, Schreibwerkstatt) gerade zum zweiten Mal.

Es ist eine „Coming Of Age“-Geschichte. Der fünfzenjährige Sam erzählt von der kurzen Zeit des amerikanischen Sommers 1985. Prägende Ereignisse spielen sich in diesen wenigen Wochen ab. Die Erkrankung und der Tod seiner Mutter. Die schwierige Beziehung zum Vater. Die erste große Liebe. Freundschaft. Der Umgang mit der eigenen Schüchternheit, mit Selbstbild und Außenwahrnehmung. Das sind wichtige Themen in diesem Buch. Es jagte mir beim ersten Mal einen Frösteln über den Rücken.

Für Erwachsene funktioniert dieses Genre im Sinne eines Rückblicks. Es kommen die vielen Erinnerungen an die eigene Jugend hoch, die Nahtstelle, das Übergehen zum Erwachsenwerden, das sich meist natürlich nicht in wenigen Wochen vollzog. Das ist ein geschickter Kunstgriff. Und nichts wirkt vielleicht eindrücklicher, als die Jugenderinnerungen der Leser*innen zu beschwören, vor allem, wenn sie selbst in den 80ern aufwuchsen.

Ich bin allerdings überrascht, dass es mir beim zweiten Lesen wieder so ergeht. Vorgewarnt sozusagen. Ich bin überrascht, wie tief manche dieser Bilder auf mich wirken, als wären sie aus meinem Leben herausgeschrieben. Dazu brauche ich nicht in meinem Tagebuch blättern, das beweist allein meine körperliche Reaktion auf diese Szenen. Gänsehaut. Wenn Sam wütend das Kino verlässt, gereizt das Mädchen anschnauzt, für das er irgendetwas empfindet … fortgelaufen, alleine die trockene Erde zwischen den Fingern zerquetscht und die Welt anschreit, presst und schreit. – Wenn Kirstie nachts neben Sam auf der Friedhofsbank sitzt, zuhört, versteht, wo sonst niemand wäre, mit dem Sam reden könnte.

„Kirstie sagte nicht ›Alles wird gut‹ oder so einen Quatsch, sondern starrte mich einfach nur wortlos und entschlossen an, während ich ihre Hände an meinen Wangen spürte. Als schlössen wir einen Pakt. Dann ließ sie mich los und verabschiedete sich.“

(Benedict Wells, Hard Land)

Ich bin sehr gespannt.

« zurück