Michael Helm

Albert Camus

vom 20. Juni 2022

Die Ausgangslage

Albert Camus verehre ich seit meiner Jugendzeit. Manche wird jetzt sagen, das sei typisch. Camus gilt als Jugendverführer. Meine Philosophielehrerin muss Ähnliches gedacht haben. Sie ahnt es nicht: Ausgerechnet sie ist für meine lebenslange Camus-Besessenheit verantwortlich. 

Camus war in den späten 80ern längst auf vielfältige Weise Schulstoff geworden. In Religion hatten wir „Die Pest“ gelesen, da meine Religionslehrerin offen war für kontroverse Diskussionen. Die hatten wir im Kurs tatsächlich. Die jugendliche Überhitzung kannte keine Grenzen. In Philosophie lasen wir „Der Mythos des Sisyphos“ und privat verschlangen wir sogleich den Fremden. Da hatten wir das Frühwerk des Schriftstellers auf einen Schlag parat. Wir diskutierten es allerdings fast fünfzig Jahre nach dessen erscheinen, als wären wir damals dabei gewesen.

Die Philosophieklausur verlangte von uns schließlich eine Kritik der „Philosophie“ Camus´ aus kantscher Perspektive. Für meine Philosophielehrerin eine eindeutige Angelegenheit. Für mich nicht … bis heute bin ich nicht einsichtig. Ich gestehe, es blieb unsere einzige Meinungsverschiedenheit und die Philosophielehrerin war das Beste, was mir die Oberstufe zu bieten hatte. Die Kontroverse von damals prägt mein Denken von heute. Noch immer wälze ich ihre Argumente in Gedanken hin und her. Sie lassen mich nicht mehr los, stellen mich immer wieder in meiner Haltung zu Camus in Frage. Eine vortreffliche Ausgangslage. Ich habe begonnen, die Werke in der Reihenfolge ihrer Erstveröffentlichungen zu lesen.

Wieder einmal will ich wissen, wer von uns beiden … wir werden es sehen.

mh

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