Ein Reiserückblick
Auf der Reise habe ich eine engagierte Politikerin getroffen, eine sympathische Vertreterin einer demokratischen Partei. Wir kamen ins Gespräch und ich hatte nicht meinen besten Tag. Alles, was ich erwidern wollte, fiel mir erst hinterher ein. Aber das geht mir fast immer so.
Wir sprachen über die Wahlbeteiligung, die bei einer gerade stattgefunden Landratswahl sehr gering gewesen war und ich meinte, dass mir sogar siebzig Prozent bei einer demokratischen Wahl zu wenig seien. Ihr Einwand begann mit: „Ja, man müsse verstehen … nicht alle könnten …“ Ich schwieg.
Ein anderer Punkt war schwerwiegender. Es sei teils schwierig, Wahlkampf auf der Straße zu machen, weil man von manchen Bürgern angegangen, ja bespuckt werde. Das schockierte mich. Ich schwieg.
Ich frage mich mittlerweile, ob das – so schlimm es klingt – nicht das geringere Übel ist. Worauf wollen wir warten? Bis wir bei politischen Meinungsäußerungen auf der Straße befürchten müssen, verhaftet zu werden? Die Tage in der demokratischen Wohlfühlzone sind offensichtlich vorbei. Zu schweigen, hilft nicht.
Der Politikerin war es offenbar sehr wichtig, zuzuhören, zugewandt zu sein, was ich sehr hoch schätze. Mir fehlte jedoch eine deutliche Aussage, mir fehlte das klare Wort: „Das ist meine Sicht. Dafür trete ich an.“ Nein. Wenn dreißig Prozent der Wahlberechtigten ihre demokratische Freiheit nicht nutzen, ja, auch ihrer demokratischen Pflicht nicht nachkommen; Entschuldigung, dann ist mir das zu wenig. Wenn Menschen, die auf der Straße ihre Meinung kundtun, bespuckt werden, ist das erschreckend und eine grundsätzliche Grenze von Demokratie ist überschritten. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Zu schweigen, hilft nicht. Nur Zuhören reicht da auch nicht mehr.